Konzert im Museum Biedermann
Diesen Samstag gab es ein sehr spannendes und außergewöhnliches Konzert-Event bei dem ich als Cellist mitgespielt habe. Es ging dabei um eine Kammermusikalische Installation in der Ausstellung SENZA TITOLO im Museum Biedermann in Donaueschingen. Das besondere Highlight dabei: ich durfte Kammermusik mit Weltstars aus der Klassikszene wie Patricia Kopatschinskaja und Gavriel Lipkind spielen!
Um einen kleinen Einblick in das Konzept dieses Events zu geben, übernehme ich der Einfachheit halber den Programmtext von Ute Bauermeister und Norbert Föhlich:
“Das bemerkenswerte an dieser Ausstellung "SENZA TITOLO": in jedem Raum eignet sich eine Art "Kammermusik" des Skulpturen. Jede Geste wird von einer anderen aufgenommen und weiter gesponnen.
Der heutige Konzert Nachmittag ist eigens für diese Ausstellung konzipiert. An diesem vorletzten Tag der Ausstellung der beiden italienischen Künstler Nunzio und Gianni Dessi können die Besucher erleben, wie die Musik der Klänge und die "Kammermusik der Skulpturen" begegnen.
Zwölf kleine, je etwa 10 Minuten Minuten dauernde, besondere "Konzertchen" erwarten die Museumsbesucher.
Für dieses kammermusikalische Miteinander von Skulpturen Musik wurde unter anderen Stücke aus dem Quartettbuch des in Karlsruhe lebenden Petersburger Komponisten Boris Yoffe ausgewählt.
Boris Yoffe arbeitet seit 1995 an seinem Quartett, fast täglich eine Seite. "Senza Titolo" ist auch für Yoffe programmatisch: seine Stücke sind ohne Titel, ohne Nummern und Daten, ohne Tempo und Artikulation, ohne Hinweis darauf, wie sie zu spielen oder zu hören sind. Etwa 6000 Stücke für Streichquartett enthält das ganze Buch inzwischen. Jedes einzelne Stück erwächst aus den Erfahrungen der vorigen und ist schön und schlicht, wie die ausgestellten Kunstwerke. Diese Musik braucht keinen Konzertsaal, sondern einen frei beweglichen, assoziierenden Zuhörer, der wie in einem Buch blätternd, an etwas hängen bleibt, auf Erfahrungen sich einlässt, an deren Zustandekommen er in gleicher Weise beteiligt ist wie Musiker und Komponist.
Zum zweiten Mal lassen wir uns auch ein solches Wagnis ein. Bereits im Februar 2012 haben wir im Rahmen der Ausstellung "Back to the Roots" eine musikalische Installation gemeinsam mit Studierenden der Trossinger Musikhochschule erprobt.
Auch diesmal wissen wir nicht genau, was passieren wird. Zwölf Musikerinnen und Musiker werden zu unterschiedlichen Zeiten die sechs Räume des Museums bespielen. Es werden sowohl wieder Studierende der Hochschule als auch Profis, die seit langem mit der Musik Yoffes vertraut sind, zu hören sein. Zu den Stücken aus dem Quartettbuch gesellen sich Solo- und Duo-Stücke. Zudem vereinigen sich bei Quartette zum Doppelquartett. Der Komponist hat dankenswerterweise wesentlich bei der Einstudierung der Werke mitgewirkt und seine tiefen musikalischen Einsichten an die Studierenden weitervermittelt.
Eine Verständigung Über die Stärke ist indes nur schwer möglich: wir können nur auf die Blätter zeigen. Jedes einzelne Stück wird so zu einem Fundstück, wie Muscheln am Strand. Die Noten wirken auf eigentümliche Weise leer, offen und erwartungsvoll. Beginnt man zu spielen, so taucht man ein in einen weitverzweigten Kosmos mit komplexem Beziehungsreichtum. Und in einem kurzen Augenblick ist alles verklungen in eigenartig fragiler Qualität, bar aller Extreme. Allein dadurch aber erhält diese Musik ihre außergewöhnliche Einzigartigkeit: die innere Wärme und unglaubliche Strahlkraft, dann wieder die Bescheidenheit der Stücke, in denen sich die gesamte europäische musikalische Tradition verdichtet, ähnlich der Idee des offenen Buches, das selbst seine äußere Gestalt erst durch den Willen des Lesers erhält, so, wie es der Dichter Stéphane Mallarmé sich vorgestellt hat.
Im Museum also hören wir diese Musik inmitten von Skulpturen, die ebenfalls in solch schlichter Reduktion und Konzentration erstrahlen. In deeren rätselhaften Offenheit verbinden sich Skulptur und Musik. Es entstehen Momente des Innehaltens und des Sich-Sammelns, Momente der besonderen Zeit-, Gegenstands- und Klangwahrnehmung.